Nordkurier, 13. August 2012

 

 

Überzeugende Kette gegen Rechts

 

 

Die Region ist kein Ort für Neonazis! Das demonstrieren eindrucksvoll über 2000 Bürger. Sie werben für Weltoffenheit und für Demokratie.

 

 

 

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Die stellvertretende Uckermark-Landrätin Karina Dörk (dritte von rechts), die Bürgermeister Hendrik Sommer (Prenzlau), Jürgen Polzehl (Schwedt) und Detlef Tabbert (Templin) reihten sich zusammen mit Bürgermeistern, Geschäftsführern, Unternehmern, jungen und älteren Uckermärkern in die Menschenkette ein.
Foto: SPZ
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Uckermark/Pasewalk (rm)

 

Der Strom will einfach nicht abreißen, Sonnabend gegen 12 Uhr. Entlang der Torgelower Straße spazieren Alt neben Jung, Fußgänger neben Radfahrern, Jugendgruppen der Kirche neben Linken und Punks. Darunter Lokal- und Landespolitiker aus Vorpommern und Brandenburg. Gekommen sind unter anderem die uckermärkische Vize-Landrätin Karina Dörk, Die Bürgermeister Hendrik Sommer, Jürgen Polzehl und Detlef Tabbert aus Prenzlau, Schwedt und Templin. Oftmals bleiben die Prominenten unerkannt, Bürger neben Bürger.


Holger Hoffmann, ein Hamburger und vor Tagen Teilnehmer der „Tour de Natur“, zählt zu den Weitgereisten an diesem Tag. „Ich habe von dem Pressefest der Rechten und den geplanten Protesten während der Tour de Natur erfahren. Für mich stand fest, dass ich dabei sein werde“, berichtet er. Auf seinem Rad führt er alle Gerätschaften mit, um Buttons – Anstecker – zu prägen. Anti-Kriegs-Buttons ebenso wie Anti-Atom und natürlich Anti-Nazi-Buttons! „Die Einnahmen sind nicht für mich, ich finanziere mit dem Geld in Afrika Quelleneinfassungen“, erzählt er. Meter weiter Jennyfer Kliewe. Sie hat es sich zusammen mit weiteren Mädchen und Jungs am Radweg bequem gemacht. Alle gehören zur Jungen Gemeinde. „Wir wollen deutlich machen, dass wir die Rechtsextremen hier einfach nicht haben wollen“, sagt sie. Viele andere werden das an diesem Tag so wiederholen. „Es geht darum, ein Zeichen zu setzen.“ Die Kirche ist gerade in der Musik immer wieder Ziel der Rechtsextremen. Am Freitag, Stunden vor dem Marsch, haben das viele in Pasewalks St. Marien in dem Film „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ sehen können. Jetzt wehren sie sich auf ihre Art – mit Präsenz.


Angesprochen auf seine Eindrücke formuliert Gregor Kochhan vorerst nur einen Satz: „Geil, einfach nur geil.“ Unmöglich, schon jetzt die Zahlen der Teilnehmer zu schätzen, meint er. Überzeugender hätte diese Region nicht auftreten können, fügt er an. Endlich einmal andere Nachrichten!
Es geht an diesem Tag um Bekenntnisse, ein wenig auch um Zahlen. Lange wird gerätselt, wie viele nun wirklich da sind. Kurz vor 13.30 Uhr machen Schätzungen die Runde: „2000 plus…“, heißt es. Auf dem Privatgelände der Rechten sollen sich gegen Mittag 400 Leute aufgehalten haben. Pfarrer Matthias Bohl, einer der Aktivisten des Bündnisses, strahlt nicht nur über die Zahl der Gegendemonstranten. Es ist die Stimmung insgesamt.


13.30 Uhr, die Kette schließt sich. Viereinhalb Kilometer Protest! Der Verkehr stockt bisweilen auf der Landesstraße. Dort kurz verweilen müssen auch jene, die Meter weiter wollen – zum Pressefest der „Deutsche Stimme“. Was mögen sie jetzt denken… National befreite Zone? Weit gefehlt.
Die Menschenkette hätte angesichts des Ansturms von Teilnehmern, darunter nicht wenige aus der Uckermark,am Ende 500 Meter länger sein können, hat Achim Froitzheim aufgerechnet: „Wir waren einfach mehr, als jeder von uns erwartet hat.“ Dietmar Kubica, Stadtvertreter für „Wir in Pasewalk“ wertet den riesigen Protest auch als ein Signal in Richtung Landes- und Bundesregierung: Sie werde mehr denn je Stellung beziehen müssen, wenn es um das Thema Rechtsradikalismus geht. Was dort geleistet werde, reiche einfach nicht aus. Als gegen 16 Uhr auf dem Pasewalker Markt Benno Plassmann, einer der Sprecher des Bündnisses, Bilanz zieht, benennt er einen Grund des Erfolges dieser Aktion: Das Bündnis werde vor allem getragen von Personen, Parteien und Organisationen, die sich erstmals gemeinsam zeigten. Und wie sehr sie sich der Region verbunden fühlten. Nur eine lebendige Bürgerschaft, die in Verantwortung handelt, könne die Gesellschaft auf demokratische Weise weiterentwickeln.

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